Rumänisches Tagebuch
Gernot Haupt

Freitag, 17. 8. 2007 | Samstag, 18. 08. 2007 | Sonntag, 19. 08. 2007
Montag, 20. 08. 2007 | Dienstag, 21. 08. 2007 | Mittwoch, 22. 08. 2007
 
Samstag, 18. 8. 2007
Vormittags Stadtbummel. Auf dem Platz vor der Oper und auf der Piata Unirii vor dem Dom sind eine Menge neuer Cafes entstanden. Ich setze mich und bestelle einen Cappuccino. Es ist Illy-Kaffee und er steht mit 3,60 Lei ausgepreist. Die Kellnerin verlangt 4,40 Lei, nimmt meinen 5 Lei-Schein und erscheint nicht mehr wieder. Irgendwie muss man ja auch als Kellnerin im neuen Rumänien überleben.
 

Da mit dem Kaffee meine ganzen Restbestände an Lei aus vorherigen Besuchen aufgebraucht sind, versuche ich Bargeld aus einem Bankomaten zu bekommen. Viermal scheitere ich, obwohl das Maestro-Schild darüber prangt, auch die österreichische Volksbank gibt mir kein Geld. Die meisten Gewinne machen österreichische Banken inzwischen mit rumänischen Kunden, nicht mit österreichischen, habe ich irgendwo gelesen. Erst der Automat der BRD erbarmt sich meiner und spuckt die geforderte Summe aus.
Mein obligatorischer Rundgang durch die wichtigsten Buchhandlungen der Stadt mit der Frage, ob es Literatur über Roma gibt (Tigani sage ich, um nicht wieder zu den Reiseführern über Rom geschickt zu werden). Nein, es gibt weiterhin keine rumänischen Bücher über die größte Minderheit dieses Landes, die ca. 8-10% der Bevölkerung ausmacht. Es hätte ja zumindest sein können, dass sich das geändert hat, aber das neue Rumänien scheint die Roma übersehen zu haben zu haben auf seinem Weg der Modernisierung, die kommen offiziell nur in den Flüchen des Präsidenten vor.
Auf dem Rückweg schaue ich wie immer in der orthodoxen Kathedrale vorbei, deren mystisches Halbdunkel mich immer fasziniert hat. Jetzt bestrahlen zwei riesige Halogenscheinwerfer wie auf einem Fußballplatz mit gleißendem Licht den Platz die Mitte des großen freien Raumes, wo eine Ikone und ein Evangeliar zur Verehrung aufgestellt sind. Erstmals sehe ich, was darauf abgebildet ist: Es ist eine Szene der Grablegung, sie ist allerdings kaum mehr erkennbar, die vielen Küsse haben die Farbe schon fast abgetragen. Als ich nach oben auf die Ikonostase und die Kuppel schauen möchte, blenden mich die Scheinwerfer.
Um 18:30 Uhr gehe ich zur Vesper, um Pater A. zu treffen. Er kommt mit zwei Wanderstöcken herein und begrüßt mich freundlich.
Anschließend gibt es noch ein interessantes Gespräch über evangelikale Gruppierungen und Freikirchen, auch im Mädchenhaus, das von C. geleitet wurde, scheint der Umgang mit der Bibel sehr einseitig zu geschehen. Es gebe in Recas 30 oder 40 Freikirchen, die alle gegründet worden seien, um zollfrei Waren einführen zu können, sagt Pater A.. Der Staat hat das dann unterbunden und auch Pater A. benötigte immer einen Stempel von der Caritas, um Hilfsgüter einführen zu können, da Spenden von Pfarre zu Pfarre nicht mehr möglich waren. Nach dieser Änderung des Gesetzes sei die Zahl der Freikirchen zurückgegangen. Er habe einmal Betten von der Tischlerei zum Mädchenhaus geführt und seine Mitarbeiter aus der Pfarre hätten in der Zwischenzeit rauchend auf ihn gewartet. Da sei erstmals bei C. auch Zweifel aufgekommen, ob alle, die rauchen, wirklich böse seien und in die Hölle kämen.

 
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